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Persönlicher Erfahrungsbericht

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für ERASMUS-Interessierte von Horst Schreiber

Gasthochschule: Universiteit Utrecht
Zeitraum: 09/2014 bis 01/2015

Utrecht sollte also das Ziel meines Abenteuers werden. Ein Semester Holland war die logische Wahl nachdem es mit dem kompletten Bachelor im Nachbarland nicht geklappt hatte. Ganz neu war das "da drüben" alles nicht, dafür kommt man einfach zu oft und leicht über die Grenze, hauptsächlich nach Amsterdam. Trotzdem habe ich mich auf das Semester gefreut und bin voller Hoffnung auf Freiheit und neuen Eindrücken gen Westen losgefahren. Die Besorgungen, Amtswege und Dinge, um die man sich kümmern muss habe ich fast alle gemacht (man wird ja auch ziemlich gut und eindeutig dank AAA und Auslandskoordinatoren durch den Vorbereitungsprozess geführt). Sophie hat alles super beschrieben, deshalb möchte ich das hier nicht noch einmal durchkauen.

Eine Wohnung hatte ich bei Abfahrt aus Deutschland trotzdem nicht. Halb so wild, ich wollte eh stilecht nach Holland einreiten. Also nahm ich kurzerhand den Wohnwagen meiner Großeltern mit nach Utrecht und wohnte drei Monate auf dem Campingplatz „Tussen Hemel en Aarde“. Ein unglaublich schöner, niedlicher Platz direkt an der Stadtgrenze gelegen – perfekt – zehn Minuten mit dem Rad zur Uni, drei zum Einkaufen und die Natur direkt vor der Nase. Die Besitzerin Anke und die gute (Hausmeister-)Seele des Platzes, André, waren supernett und die Kosten inklusive Duschen, Strom und Wasser unterboten sämtliche WG- und Studentenwohnheimspreise. Natürlich muss man auch der Typ für diese Art von Wohnen sein, deswegen sage ich jetzt nicht: Das ist ein Muss für jeden, der kein Bock und Geld für Wohnungssuche hat, aber ich würde es genauso wieder machen! Vor allem, wenn das Erasmus-Semester irgendwann einmal in den Sommer fallen sollte, wo ich beim Manko des Campers angelangt bin: Der Winter war trotz Schnee- und Frostfreiheit einfach zu kalt, außerdem schließen die Campingplätze sowieso ihr Tore im Winter. So musste ich mir doch noch ein „normales“ Quartier suchen. Nach etlichen Anfragen über kamernet.nl durfte ich mich irgendwann persönlich in einer WG vorstellen und erhielt einen Tag später die Zusage. Den Dezember und Januar habe ich so jeden Tag mit Holländern zu tun gehabt, was angesichts des ruhigen Lebens im Wohnwagen eine erfrischende Abwechslung war. Gemeinsames Xbox spielen, Kochen, Einkaufen, Nachmieter suchen und einfach nur quatschen waren klasse Begleiter meiner letzten beiden Monate in Utrecht.

Zusätzlich lernte ich natürliche junge Leute von überall her während der Seminare und Vorlesungen kennen mit denen ich das Utrechter Umland mit dem Fahrrad, zahlreiche andere Städte in Holland mit dem Zug und zu Fuß oder einfach Utrecht vor Ort erkundet und lieben gelernt habe. Es ist, glaube ich, unmöglich während seines Auslandssemesters keine neuen Kontakte zu knüpfen, egal wo man ist. Es gibt überall tolle Orte und nette Menschen – man muss sie nur erkunden (wollen). Dafür bietet so ein Erasmus-(Halb-)Jahr ausgezeichnete Möglichkeiten.

An der Uni Utrecht belegt man ein bis zwei Kurse pro Block (ein Semester besteht aus zwei Blöcken, die sich ungefähr nach der Hälfte des Semesters ablösen). Ein Kurs besteht aus einer 90minütigen Vorlesung und einem bis zu 4stündigen Seminar. Man hat also in der Regel nur vier Veranstaltungen pro Woche. Dafür muss man wöchentliche Essay schreiben, lesen, lesen, lesen, Vorträge vorbereiten und an der Abschlussarbeit werkeln. Wenn man sich das aber gut einteilt, bleibt genügend Zeit, um ganz Holland zu erkunden. Die angebotenen Kurse sind zwar recht überschaubar, ich fand sie aber erfrischender, weil zeitgeistlicher als den Großteil in Potsdam. Das Sprach- und Anforderungsniveau ist knackig, aber so habe ich meine Englischkenntnisse verbessert und vor allem das wissenschaftliche/universitäre Arbeiten forciert. Ich saß noch nie so oft und so lange in der Bibliothek (was vielleicht auch dem fehlenden Internetanschluss im Camper geschuldet war)! Die Bibliothek und die meisten Seminarräume sind topmodern und gut ausgestattet. Trotzdem kann es sein, dass man auch mal in einem ausgebauten Dachstuhl eines alten Hauses, das von außen eher einem Anne-Frank-Museum gleicht, unterrichtet wird aber das gehört definitiv zum Charme des in-Utrecht-Studierens. Als Student der Humanwissenschaftlichen Fakultät bist du vor und nach den Veranstaltungen mitten im Utrechter Stadtleben, welches alle Aktivitäten einer studentischen Großstadt zu bieten hat.

Die „Einheimischen“ sagen, wenn du eine wirklich typische niederländische Stadt sehen willst, geh‘ nicht nach Amsterdam oder Rotterdam, geh‘ nach Utrecht. Das ist wohl war. Utrecht ist (noch) nicht mit Touristen überhäuft, hat einen tollen historischen Stadtkern (mit charakteristischen Bauten), ist durchzogen von Grachten, Parks, Kneipen, moderner Architektur am Stadtgürtel, natürlich auch Plattenbauten und diesen eigentümlich niederländischen Wohnvierteln. Man muss diesen Mix im alles im allem ruhigen Utrecht selbst erleben!

Worauf es bei unseren Nachbarn ankommt, sowohl an der Uni als auch kulturell, merkt ihr ziemlich schnell. So verschieden sind uns die Niederländer nicht. Wollt ihr noch mehr wissen? Dann schaut mal hier: