Erfahrungsbericht_emiliaschmidt

Abschlussbericht

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für ERASMUS-Interessierte von Emilia Schmidt

Gasthochschule: Universidad Complutense de Madrid
Zeitraum: 09/2013 bis 06/2014

1) Vorbereitung des Auslandsaufenthalts - Informationen zum ERASMUS-Programm

Schon bevor ich angefangen habe zu studieren, stand für mich fest, dass ich ein Erasmus-Studium machen möchte. Ich habe mich über die Seiten der Uni Potsdam über das Erasmus-Programm informiert und mit einer Kommilitonin gesprochen, die im vergangenen Jahr in Madrid studiert hat. Nach der Nominierung durch die Uni Potsdam, erhielt ich die Aufforderung eine Online-Bewerbung auszufüllen. Anfang Juli erhielt ich dann die endgültige Zusage von der Complutense. Ab diesem Zeitpukt habe ich mich mit Fragen direkt an das Erasmus-Büro der Facultad de Ciencias de la Información gewendet. Die Mitarbeiter dort antworten sehr schnell und sehr ausführlich.

Um sich vorab über den Bewerbungsprozess der UCM zu informieren, helfen diese beiden Seiten weiter:
    https://www.ucm.es/sobre-la-solicitud-on-the-application
    https://www.ucm.es/incoming-students
Alle weitere Informationen werden allerdings auch per Mail verschickt.


2) Studium an der Gastuniversität

Alle Kurse an meiner Fakultät finden auf Spanisch statt. Das sollte man sich vorher klarmachen. Es ist aber auf keinen Fall ein Problem, denn man gewöhnt sich schnell daran, weil auch der ganze Alltag auf Spanisch stattfindet. Meine Fakultät an der UCM ist die Facultad de las Ciencias de la Información. Diese beinhaltet drei Studiengänge: Periodismo (Journalismus),Publicidad y Relaciones Públicas (PR, Kommunikation), Comunicación audiovisual (audiovisuelle Kommunikation). Als Erasmus-Studentin konnte ich Kurse aus allen Studiengängen wählen. Einige Kurse sind für Erasmus-Studenten geschlossen, aber das kann man im Einzelfall auch noch vor Ort besprechen.

Außerdem kann man pro Semester zusätzlich 2 Kurse aus einer völlig anderen Fakultät wählen. Ich habe das allerdings nicht gemacht, weil ich an meiner Fakultät genug Kurse gefunden habe, die mich interessiert haben. Die Kurse werden in der Regel mit 6 ECTS bepunktet und finden jeweils zweimal pro Woche zweistündig statt. Ich hatte also pro Semester 5 Kurse, um die 60 ECTS zu erlangen. Wichtig: Es gibt grundsätzlich kein akademisches Viertel, aber es kommt vor, dass die Dozenten ohne Unterbrechung 1,5 Stunden lehren.

Die meisten Lehrveranstaltungen bestehen aus einem theoretischen und einem praktischen Teil, die meist im Verhältnis von 60% zu 40% gewichtet werden. Die Theorieteile werden im Vorlesungsstil gegeben, in vielen Fällen ist man als Student von seinen Notizen abhängig. Es gibt wenige Dozenten, die mit Powerpoint-Präsentationen arbeiten. Als Literaturgrundlage dient eine enorme Bibliografie, die am Beginn des Semesters angegeben wird, aber während des Kurses in vielen Fällen nicht besprochen wird. Die praktischen Parts hängen ganz vom Thema und vom Dozenten ab. Das können kleine Kurzfilme, wöchentliche 10-seitige Arbeiten oder drei umfangreichere Arbeiten sein. Die Evaluation hängt auch vom Dozenten ab. Im Regelfall gibt es am Ende des Semesters eine Klausur, die die Theorie abfragt und dann mit den Einzelnoten für den Praxisteil zu einer Endnote des Kurses zusammengefasst wird. Die Klausuren variieren zwischen Multiple-Choice, konkreten Fragen und freier Textproduktion zu einem Thema.

Rein inhaltlich gibt es einige Übereinstimmungen mit Seminaren der EMW, aber ich habe mich dafür entschieden, fast ausschließlich ganz andere Kurse zu wählen. Das war natürlich etwas schwieriger, allein schon wegen der Sprache und der zum Teil völlig unbekannten Themen, aber dadurch hatte ich auch die Möglichkeit, mein Studium aus einer anderen Perpektive zu sehen. Im Nachhinein sehe ich das als gute Entscheidung.


Sonnenuntergang am Wahrzeichen von Madrid, dem Templo de debod
© Emilia Schmidt

Studienklima

Das Studienklima an meiner Fakultät ist im Vergleich zur EMW sehr anonym, die Fakultät ist eine der größten der UCM. Am Anfang habe ich mich ganz schön verloren gefühlt. Die Seminare sind mit 30-70 Personen besetzt. Dennoch besteht innerhalb des Kurses zwischen den Dozenten und Studenten ein persönliches Verhältnis, es wird sich geduzt, was in Spanien sowieso üblich ist.

Als Erasmus-Studentin bin ich allerdings sofort aufgefallen und die meisten Dozenten, die ich hatte, kannten mich mit Namen und haben mir im Falle des kleinsten Zweifels ihre Hilfe angeboten. Auch meine spanischen Kommilitonen waren immer hilfsbereit. In vielen Seminaren werden Gruppenarbeiten gefordert, so habe ich auch mit spanischen Studenten zusammengearbeitet und sie etwas kennengelernt.

Insgesamt ist die Erasmus-Organisation eine einzige Bürokratie-Schlacht. Ich musste meine Kurse für beide Semester im Oktober wählen und von jedem einzelnen Dozenten eine schriftliche Einwilligung einholen. Das stellte sich als etwas schwierig heraus, weil nicht immer direkt auf Mails geantwortet wird. Letztendlich habe ich aber im zweiten Semester fast alle Kurse nochmal umgewählt, und der Papierkrieg ging von vorne los. Allerdings haben die Mitarbeiter des Erasmus-Büros Verständnis und bemühen sich hilflosen Erasmus-Studenten, die am Anfang noch gar nichts verstehen, zu helfen, wo sie können.

In meiner Fakultät gibt es eine Bibliothek, die über PC-Arbeitsplätze, Gruppenräume und einen Scanner verfügt. Außerdem gibt es eine gut sortierte DVD-Sammlung. Ausleihen kann man mit dem Studentenausweis. Eine Kopierkarte gibt es nicht, aber im Erdgeschoss gibt es einen Kopier- und Druckservice (Reprografía). Eine Seite in s/w kostet 5 ct.


3) Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden

Über ESN (European Student Network), das zahlreiche Erasmus-Veranstaltungen, wie die „Welcome Week“ im September mit Stadtführungen, Willkommens-Picknick im Retiro Park, Reisen, Parties usw. organisiert, habe ich schnell ganz viele ausländische Kommilitonen kennengelernt. Das ging hier sehr einfach, weil die Erasmus-Studenten ja alle neu anfangen und super offen sind. Die spanischen Studenten habe ich eher im Alltag kennengelernt: natürlich in meiner WG oder beim Sport, vor allem übers Tanzen (Salsa, Bachata und Swing) habe ich ganz tolle Leute kennengelernt. Insgesamt ist es doch schwieriger und dauert länger die spanischen Studenten richtig kennen zu lernen. Sie studieren schon länger zusammen und haben ihre Grüppchen, in die man nicht so einfach reinkommt. Trotzdem habe ich einige gute spanische Freunde gefunden, mit denen ich auf jeden Fall in Kontakt bleibe.



Auf der Plaza dos de mayo, mitten im Studentenviertel Malasaña, ist immer etwas los!
© Emilia Schmidt

4) Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Bevor ich nach Madrid gekommen bin, habe ich zwei Semester an der Uni den Sprachkurs UniCert I besucht und damit Niveau B1 abgeschlossen. Ich habe darin die grundlegende Grammatik und eigenständiges Texte verfassen gelernt, Sprachpraxis hatte ich vorher aber eher nicht. Hier ist es quasi lebensnotwendig Spanisch zu sprechen, denn nur wenige Einheimische sprechen Englisch. So bin auch ich ins kalte Wasser geschmissen worden und habe gelernt, einfach drauflos zu reden. Anfang September hatte ich einen zweiwöchigen Sprachkurs an der Uni, für den ich einen Einstufungstest machen musste. Dadurch wurde ich in einen B2-Kurs eingeteilt. Der Kurs half noch einmal die Grammatik zu wiederholen und sollte zur Vorbereitung auf die Seminare, die, in meinem Fall, ohne Ausnahme auf spanisch stattfanden, dienen. Es fiel mir aber doch sehr schwer, am Anfang dem Unterricht komplett zu folgen. Nach 2 Monaten hatte ich mich aber reingehört. Weil ich den ganzen Tag von Spanisch umgeben war, habe ich auch nach kurzer Zeit relativ flüssig sprechen können. Meine Mitbewohner haben mich dankenswerterweise immer verbessert und mir viel geholfen. Jetzt, nach knapp 10 Monaten hier in Spanien, kann ich mich tatsächlich in jeder Lebenssituation gut verständigen. Nach meiner Rückkehr werde ich das Sprachenzertifikat DELE C1 machen, für das ich mich mit meinem Spanisch-Level durchaus vorbereitet sehe.


5) Wohn- und Lebenssituation

Ich habe mein WG-Zimmer schon im Vorhinein über segundamano.es/ gefunden. Das ist eine Seite, die mit ebay-Kleinanzeigen zu vergleichen ist. Daneben gibt es noch andere nützliche Seiten, wie z.B. idealista.com. Kontakt habe ich per Mail mit meinen Mitbewohnern aufgenommen, und nach einem nettem Skypegespräch auf „spanglisch“ war der Einzug beschlossen. Wir waren insgesamt zu viert in meiner WG. Eine Spanierin und zwei Spanier, mit denen ich mich gut verstanden habe. Sie haben mir sehr viel geholfen und es war immer irgendetwas los. Die Wohnung liegt nicht direkt im Zentrum, dafür aber am Fluss, und ist mit der Metro 15 Minuten vom Zentrum und der Uni entfernt. Also, perfekt!
Die Miete setzt sich aus Kaltmiete, Wasser-/ Strom- und Internetkosten zusammen; mit 280€ im Monat ist das für Madrid sehr günstig.

Die öffentlichen Verkehrsmittel in Madrid funktionieren sehr gut und bieten eine gute Anbindung an alle Orte, die ich in Madrid erreichen wollte. Wichtig zu wissen ist, dass die Metro täglich zwischen 06:00 und 01:30 fährt. Davor und danach muss auf Nachtbusse umgestiegen werden.
Ein Studententicket gibt es zwar nicht, aber dafür die Monatskarte (abono, zona A), die für alle bis 23 Jahren 35€ kostet. Damit konnte ich unbegrenzt mit dem Bus, der Metro und dem Cercanías (vgl. Regionalbahn) und auch zum Flughafen fahren. Zum Flughafen fahren sowohl 24 h Busse, die Linie 4 des Cercanías und die Metrolinie 8.

Weil ich das aus Berlin gewöhnt bin, habe ich mir auch hier ein gebrauchtes Fahrrad gekauft und bin so durch die Gegend gefahren. Allerdings muss man da ganz schön aufpassen, weil die Madrilenen nicht an Fahrradfahrer gewöhnt sind und es auch nicht so viele Fahrradwege gibt. Seit Juli 2014 gibt es aber auch in Madrid City-Bikes, die man leihen kann. Das funktioniert so ähnlich wie in Berlin mit den DB-Fahrrädern.


Hier bekommt ihr die beste Karottentorte der Stadt!
© Emilia Schmidt

Konto

Für einen Aufenthalt in Madrid braucht man kein spanisches Konto einrichten. Es gibt zahlreiche Deutsche Banken in Madrid, an denen ich mit meiner EC-Karte der Dt. Bank kostenlos Bargeld abheben kann. Bezahlen mit EC-Karte ist generell gebührenfrei. Dennoch ist eine Kreditkarte mit Online-Banking ratsam, um unnötige Abhebungskosten zu vermeiden.

Krankenversicherung

Eine Auslandskrankenversicherung braucht man in der Regel nicht abschließen. Als EU-Bürger mit europäischer Gesundheitskarte ist die ärztliche Versorgung kostenlos. Die sogenannten Centros de Salud (Gesundheitszentrum), die es in jedem Bezirk gibt, weisen dir beim ersten Besuch einen Arzt zu, der für die gesamte Zeit dein Ansprechpartner ist. Für Notfalle gibt es natürlich die Notaufnahme (Urgencia). Ich habe mit beidem meine Erfahrungen gemacht und habe mich einigermaßen gut aufgehoben gefühlt.

Lebenshaltungskosten

Die Preise in Madrid im Vergleich zu anderen spanischen Städten sind wie in anderen Großstädten etwas höher, aber im Vergleich mit Berlin, nimmt es sich eigentlich nichts. Es gibt natürlich einige Produkte, die hier teurer sind, aber das gleicht sich durch andere, die wiederum günstiger sind, wieder aus.

Freizeitangebote

Madrid bietet, wie jede Großstadt, eine riesige Vielfalt an Freizeitaktivitäten. Von zahlreichen Museen mit wechselnden Ausstellungen, über Kinos, Theater und einer großen Auswahl an Musikbars und Clubs zum Feiern ist für jeden Geschmack was zu finden. Und natürlich hat auch Madrid in Sachen Tapas-Kultur einiges zu bieten. Überall gibt es typisch spanische Bars, in denen man zu jeder Tages- und Nachtzeit bei einer caña (kleines Bier), die spanische movida erleben kann. Wirklich schön sind auch die Parks von Madrid: Der Parque del Retiro mitten im Zentrum, die Casa de Campo am Fluss und der Parque de Berlín im Norden der Stadt, sind nur einige Beispiele für grüne Fleckchen in Madrid. Ich war wirklich sehr überrascht, dass Madrid so grün ist.
Außerdem liegt Madrid mitten in der Sierra umgeben von vielen kleinen Städtchen und Dörfern, die alle mit Bus und Bahn gut zu erreichen sind, um mal dem Großstadtchaos für einen Tag zu entfliehen.


6) Rückblick

Die 10 Monate in Madrid sind für mich eine ganz wichtige Erfahrung. Ich habe nicht nur eine andere Kultur und eine andere Perspektive auf meine Kultur erlebt, eine andere Sprache und ganz tolle Leute kennengelernt, sondern auch viel über mich selber gelernt. Meine persönliche Empfehlung für alle, die überlegen ins Ausland zu gehen: Geht auf jeden Fall für zwei Semester weg! Ich hatte nach einem Semester das Gefühl, mich gut auszukennen und wie der Spanier sagen würde „mich installiert zu haben“ und konnte dann im zweiten Semester einen richtigen Alltag leben, den ich doch auch brauche, um mich zu Hause zu fühlen. In Madrid habe ich auf jeden Fall eine zweite Heimat gefunden.

Mit einem cana in der Hand, viel Salsa, Bachata und Swing hatte Emilia das Gefühl "sich in Madrid installiert zu haben". Was sie genau damit meint, erzählt sie euch selbst. Wollt ihr noch mehr wissen? Dann schaut mal hier:

FAQs Madrid