Erfahrungsbericht_jthiel

Denn es ist nicht alles Pizza!

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ERASMUS-Erfahrungsbericht von Julia Thiel

Gasthochschule: Università degli Studi di Modena e Reggio Emilia
Zeitraum: 09/2013 bis 03/2014

Von Anfang an stand für mich fest, mein ERASMUS in Italien zu verbringen – es lockte sowohl das gute Essen, das gesellige Leben und die bedeutende und lange Geschichte des Landes, aber vor allem war es wohl der Reiz, meine Sprachkompetenzen zu erweitern, der den anderen Ländern keine Chance ließ – Italienisch spricht man eben nur in Italien und einen Sprachkurs hatte ich bereits im Wintersemester 2012/2013 begonnen. Auch die Wahl der Gasthochschule bereitete mir keine Kopfschmerzen, denn die Kommunikationswissenschaften an der Università degli Studi di Modena e Reggio Emilia sind der einzige Partnerstudiengang der EMW in Italien. Die Bewerbung war dann nur noch Formalität. Die Aussicht auf Vorlesungen und Seminare, die quasi zu hundert Prozent in Italienisch abgehalten werden, hatte bisher keine Mitstudierenden überzeugen können, ihr ERASMUS in Modena zu verbringen. Dagegen waren es im vergangenen Semester gleich zwei – ich und eine weitere, beide selbstbewusst und überzeugt davon, das wahrscheinlich schönste Semester ihrer Studienzeit zu verbringen. Man hört und liest ja so einige Berichte im Vorfeld.

Modena verzaubert - und das nicht nur zur Weihnachtszeit
© Esther Riese

Und tatsächlich: Anfängliche Zweifel an der Destination wurden schnell ausgeräumt. Die Stadt ließ ihren Charme spielen und empfing mich mit offenen Armen, gemäßigtem, nicht zu kaltem Klima und hatte, trotz ihrer im Vergleich zu Berlin relativ geringen Größe, einen vollgestopften Veranstaltungskalender, in dem sich für jeden Geschmack etwas finden ließ.

Ähnlich offen sind auch ihre Bewohner – mit ein bisschen Hilfe der allzeit hoch motivierten Freiwilligen des ERASMUS-Student-Network war es nahezu ein Kinderspiel, eine Wohnung und Anschluss an andere ausländische Studenten zu finden. Städtetrips, Sport- und Abendveranstaltungen, Sprachtandems und die Unterstützung durch einen persönlichen Mentor versprachen ein abwechslungsreiches Programm abseits des Unialltags und boten zahlreiche Gelegenheiten, mit Leuten ins Gespräch zu kommen und Freundschaften zu schließen.


Die Fakultät für Kommunikation und Wirtschaft befindet sich im Nachbarstädtchen Reggio Emilia
© Julia Thiel

So war es nicht verwunderlich, dass Italienisch-Englisch-Deutscher Gehirnbrei in der ersten Zeit mein ständiger Begleiter war. Dazu gesellte sich die Sorge, vielleicht doch noch nicht das entsprechende Sprachlevel gehabt zu haben, um sich vor Ort zu Recht zu finden und den Univeranstaltungen folgen zu können. So hätt’ ich mir nie träumen lassen, dass 90 schrecklich interessante Minuten gleichzeitig so unfassbar ermüdend sein können. Klar, hat man ähnliche Erfahrungen schon an der eigenen Universität gemacht, aber Fremdsprachen heben den Anspruch dann doch noch mal auf ein anderes Niveau.

Dementsprechend dauerte es mehrere Monate, bis sich der Sprachschalter in meinem Kopf umlegte und ich mich relativ normal artikulieren konnte. Geholfen hat da im Endeffekt auch ein ausgedehnter, italienischer Freundeskreis, der sich im Laufe der Zeit stets erweitert hat. Ein Freundeskreis, durch den man verschiedenste Aspekte der italienischen, auch nicht-populären Kultur kennen und lieben gelernt hat. Das andere Italien eben. Das „richtige“ Italien. Oder zumindest das, was ich nach dem halben Jahr für italienische Kultur halte.

ERASMUS bedeutet mehr, als seinen vertrauten Alltag in ein anderes Umfeld zu übersetzen. ERASMUS bietet vielmehr die Möglichkeit, aus dem vertrauten Alltag auszubrechen – man konfrontiert nicht nur die eigene Weltanschauung mit derer des Gastlandes, sondern trifft Menschen verschiedenster Nationalitäten und Ideologien und tauscht sich aus, übernimmt Gewohnheiten und Ideen und gibt eigene weiter. Bei manch einem mag es sogar so sein, dass die Frage nach der Herkunft nicht mehr ganz so klar mit der eigenen Nationalität beantwortet wird. Grenzen lockern sich, man mag sich am Ende des ERASMUS vielleicht sogar ein wenig europäisch fühlen – ich für meinen Teil vielleicht ein wenig italienisch-europäisch.

 



Julia ist dem Ruf ihres Magens gefolgt und hat ein halbes Jahr in Modena im kulinarischen Italien verbracht. Wollt ihr noch mehr wissen? Dann schaut mal hier:

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