erfahrungsbericht_sabethkerkhoff

Persönlicher ERASMUS-Bericht

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Erfahrungen von Sabeth Kerkhoff

Gasthochschule: Bilgi Üniversitesi
Zeitraum: WS 2012/2013

Vorbereitung des Auslandsaufenthalts

Ich war unabhängig von meinem Studium bereits zwei Mal in Istanbul und von der Stadt gefangen. Die Kooperation meines Studiengangs (EMW) mit zwei Universitäten in der Stadt am Bosporus hat ein Leben auf Zeit möglich gemacht. Ca. ein Jahr vor Erasmus-Antritt, also zu Beginn des dritten Semesters, wurden wir von einem unserer Dozenten am Ende einer Lehrveranstaltung grundlegend über die Möglichkeiten im Ausland zu studieren informiert. Hier lohnt es sich auf jeden Fall rechtzeitig Informationen einzuholen.

Grundsätzlich wird Bachelorstudenten geraten im fünften Semester ein Urlaubssemester zu nehmen und Erasmus zu machen. So kann man Credits einbringen und dennoch in der Regelstudienzeit von 6 Semestern bleiben. Die Platzvergabe verlief in meinem Jahrgang erstaunlich einfach. Jedoch nach dem Prinzip wer zuerst kommt malt zuerst. Den jeweiligen Erasmus-Ansprechpartner findet man über die eigene Institutsseite. Dort muss man dann je nach Gastuniversität [...] Dokumente abgeben[.]

Für die Bilgi Üniversitesi Istanbul musste ich z.B. keine Nachweise über meine bereits belegten Lehrveranstaltungen erbringen. Es ist jedoch ratsam den Erasmus- Betreuer (bei mir Herr Sternagel) zu treffen um mit Hilfe eures Studienbuches zu schauen welche Kurse ihr sinnvoll an der Partneruni belegen könnt. Für die Bilgi gibt es einen feststehenden Katalog durch den man schon rechtzeitig stöbern kann.

Es gibt jeweils vor Antritt des Auslandsaufenthalts im Semester eine gemeinsame Informationsveranstaltung, bei der alle Formulare, Fristen und Rückmeldungen oder auch das Urlaubssemester noch ein Mal aufgeführt und erklärt werden.



Zur Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes ist auch noch wichtig zu wissen, dass man rechtzeitig einen gültigen Reisepass haben muss um beim Türkischen Generalkonsulat ein Visum beantragen zu können.
Für den Visumsantrag brauch man zusätzlich:

  • 1 Passfoto
  • Führungszeugnis der Polizei (bekommt man beim Bürgeramt des Stadtteils in dem man gemeldet ist)
  • ta1 oder ta11 der Krankenkasse
  • Unterhaltsnachweis und Ausweiskopie der Eltern (für den Unterhalt reicht ein unterschriebener Brief, benötigte Summe 800€ )
  • letter of acceptance (Annahmeerklärung der Gastuniversität)
Unbedingt Kopien von allen Dokumenten anfertigen. Und 60€ für das Visum mitbringen. Auf dem Konsulat sollte man zur frühesten Öffnungszeit erscheinen denn die sind kurz bemessen und es ist meist voll.

Von den laufenden Kosten in Potsdam (Semesterbeitrag) ist man befreit auf Grund des Urlaubssemesters. Kommt man jedoch zu Ende des Auslandssemesters so zurück, dass man das Studententicket noch gut einen Monat benutzen kann lohnt es sich dieses dennoch zu nehmen und sich beim Studentenwerk Potsdam nur von den sonstigen Beiträgen befreien zu lassen. Nach Ablauf des Erasmus-Semesters kann man an der Uni einen Antrag auf Rückerstattung stellen und bekommt die nicht genutzten Monate erstattet.

Für das Ausland wird meist auch empfohlen eine Auslandskrankenversicherung abzuschließen. Das kostet ca. 120€ und läuft meist über Partnerversicherungen der jeweils eigenen Versicherung. Also einfach mal auf der Homepage der eigenen Versicherung schauen oder anrufen.

Mein Zimmer hatte ich schon vorher über Freunde gefunden. Es lohnt sich für Istanbul immer Ehemalige zu fragen oder auf craigslist zu schauen. Ansonsten empfehle ich das Neverland Hostel im Zentrum der Stadt, von dem aus man bequem suchen kann.

Bei der Einreise ist unbedingt wichtig auf die Lesbarkeit des Einreisestempels zu achten! Den braucht man später für die Ausstellung des residence permit in der Türkei. Und auch für das Abschließen von Handyverträgen (auch nur für das Kaufen einer Sim-Karte). Also darauf achten, dass beides: Datum und Ort (z.B. Atatürk Airport) lesbar ist. Andernfalls muss man später in Istanbul zu einer nahliegenden Polizeistation und sich den Stempel offiziell beglaubigen lassen.

Studium an der Gastuniversität

Die Bilgi Üniversitesi hat drei Standtorte. Der größte und schönste ist Santral, an dem auch die Austauschstudenten der EMW sind. Sprich im Film Department. Noch vor Beginn des Semesters wurde man zu einem Informationstag (Mitte September) eingeladen, der alle Erasmus-Formalitäten erklärt hat. Ca. eine Wochen danach begann das Semester. Die Lehrveranstaltungen werden über ein unieigenes zentrales System gebucht. Ausländische Studenten haben bei der Wahl keine Zeitbeschränkung. Allerdings dauert trotz der Powerpoint Einführung am Kennlerntag etwas, bis man das System verstanden hat. Am anstrengendsten ist es, bei fast allen Kursen den jeweiligen Dozenten anzuschreiben und um einen consent, sprich eine Zustimmung, zu bitten. Andernfalls kann man den Kurs nicht online anwählen. Eine einfache E-Mail reicht aber in 98% der Fälle.


Das Studienklima war leider sehr unmotiviert mit teilweise lauten oder zu großen Kursen. Viele Studenten wirken gänzlich uninteressiert an ihrem Fach. Und ebenso daran, Englisch zu sprechen. Darauf kann man sich leider einstellen: die Auswahl der Kurse ist auf die englisch-sprachigen (noch eine Menge) eingeschränkt. Die Realität manifestiert sich dann jedoch nicht in englischer Sprache sondern häufig in Türkisch. Nur einige Lehrer sind streng und reden ausschließlich Englisch, andere übersetzten dann jeden fünften Satz. Das macht allerdings die Anforderungen nicht unmenschlich. Meiner Einschätzung nach war weder Vor- noch Nachbereitung gefragt, worunter die Qualität der Seminare auch eindeutig gelitten hat. Zwar gab es teilweise Reader mit wissenschaftlichen Texten, den dann nicht mal die Dozentin ein zweites Mal erwähnte.

Die Kurse gehen grundsätzlich länger als in Potsdam. So dauert ein normales Seminar meist drei Stunden. Daher würde ich nicht mehr als sechs Kurse in der Woche empfehlen. Die 30ECTS schafft man damit locker. Die Betreuung in der Universität war sehr nett. Burak, unser Koordinator, war immer ansprechbar und hat uns bei allen zu regelnden Dingen geholfen. Wer Koordinator ist, wird einem beim Einführungstag mitgeteilt. Zusätzlich kann man ein Erasmusteam ansprechen und bekommt eine Kontaktliste.

Die Technische Ausstattung der Uni ist auf Grund der privaten Gelder sehr gut. Überall sind PCs mit Internetzugang zugänglich. Und über das Bestellsystem der Uni kann man aus einer riesigen Menge an Film- und Fototechnik wählen (hierfür wieder einen Professor nach einem consent fragen). Zudem gibt es ein Film- und Fotostudio. Die Bibliothek ist dagegen für eine so große Uni eher mau ausgestattet. Gelesen wird aber wie gesagt ohnehin nicht all zu viel. Ich würde daher sehr empfehlen, praktische Kurse von Potsdam nach Istanbul zu verlegen. Das lohnt sich allemal mehr, als der Versuch Theorieseminare anerkannt zu bekommen. Insgesamt werden alle Kurse benotet. Entweder mit einer Klausur, eine Präsentation oder einem Projekt. Die Notenvergabe ist dabei sehr großzügig im positiven Sinne. Die Studienordnung in Potsdam ermöglicht es dann auch ein benotetes Seminar als Modulabschluss z.B. statt einer Hausarbeit anerkennen zu lassen (bei Modul- Kompatibilität)

Als Fazit würde ich sagen, hatten einige Kurse Potenzial, das nicht genutzt wurde, die Professoren waren durchgehend sehr nett aber der Anspruch war gering.

Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden

Ich kannte schon vor Auslandsaufenthalt Bilgi-Studenten die in Potsdam Erasmus gemacht hatten. Ansonsten lernt man viele andere Studenten natürlich beim Eröffnungstag kennen oder in den einzelnen Kursen. Die Austauschstudenten bleiben in den „Theorie-Seminaren“ eher unter sich. Ich hatte jedoch das Glück im Performing Arts Department einen Tanzkurs zu belegen und so viele nähere Kontakte vor allem zu türkischen Studenten knüpfen zu können. Über das ganze Semester verteilt organisiert ein Erasmus-Team von Bilgi-Studenten Ausflüge und Parties. Ich selbst habe die Angebote nicht all zu sehr genutzt. Die kurzen Reisen sollen allerdings sehr lohnenswert gewesen sein.

Sprachkompetenz

Leider bietet die Universität Potsdam keinen Sprachkurs in Türkisch an. Mein VHS Sprachkurs von sieben Wochen ohne Möglichkeit eines Anschlusskurses hat mir bis zur Abreise gar nichts mehr gebracht. Die Bilgi bietet allerdings zwei Anfänger und Fortgeschrittenenkurse an, bei denen man zwei Mal die Woche ca. zwei Stunden Unterricht hat. Der Lehrer war sehr kompetent und nett, der Kurs allerdings viel zu voll. So lernt man nur Grammatik, aber hat wenig Möglichkeit zu sprechen. Sollte man es also in den A2.1 Kurs schaffen, ist das sicher ein Gewinn, sofern man die Sprache wirklich lernen will. Die Kurse beinhalten jeweils zwei Tests und eine mündliche Besprechung. Ansonsten gibt es bei der TU-Berlin in den Semesterferien Intensivsprachkurse.

Unterkunft

Wir waren alle gemischt untergebracht. Sei es reine Erasmus WG, türkische Mitbewohner oder eigene vier Wände. Für die Bilgi Üniversitesi empfehle ich die europäische Seite als Wohnort zu wählen. Besonders gut hat mir Chihangir und Beyoglu gefallen. Dort braucht man abends nie eine Bahnverbindung, denn man ist inmitten der Stadt und dennoch sind ganz ruhige Wohnstraßen nicht weit. Die Mieten liegen je nach Zimmergröße bei 700TL (=295€) für größere Zimmer oder 400TL (170€). Allerdings sollte man [darauf] gefasst [sein], ein günstigeres Zimmer ohne Heizung beziehen zu müssen. Oder eines wo sich nach einigen Wochen die winterliche Feuchtigkeit in Schimmelform zeigt. Ansonsten sind die Lebenshaltungskosten ebenfalls niedriger als in Berlin oder Potsdam. Besonders wenn man auf den Wochenendmärkten Gemüse, Nudeln und Obst kauft und nicht im Supermarkt.



Rückblick

Mein halbes Jahr in Istanbul war das Beste, was mir passieren konnte! Ich kann jedem diese Stadt und auch das Land zum reisen nur ans Herz legen! In die Sprache habe ich mich mittlerweile ebenso verliebt und möchte keine Minute im Ausland missen. Ich habe dort wirklich schöne Freundschaften entwickeln können und besonders meine Mitstudenten aus Potsdam viel besser kennen gelernt. Die Türken sind für mich unglaublich aufgeschlossen, hilfsbereit und gastfreundlich. Man soll ruhig jede Teeeinladung annehmen und seine paar türkischen Vokabeln und Sätze nicht verstecken. Dass die Uni qualitätsmäßig für mich eher hinten rüber fällt ist für ein halbes Jahr großzügig zu betrachten. So kann man in praktischen Kursen gute Ergebnisse liefern, da man mehr Zeit hat und auch sonst die vielen Angebote und Eindrücke Istanbuls erleben. Für ein Jahr wäre ich allerdings nicht geblieben, da ich meine, dass die beiden Studiengänge dafür nicht abgestimmt genug sind.

Tipp

In der Türkei beantragt man nach Ankunft an der Gastuniversität das sogenannte residence permit. Das erlaubt einem erst, legal (trotz Visum) länger als drei Monate im Land zu bleiben. Nach Schwierigkeiten hat die Uni letztes Jahr einen Sammelantrag für alle Studenten gemacht. Einen Termin und eine Nummer musste man allerdings selber auswählen. Genaueres dazu wird einem auf dem Einführungstag erklärt. Man sollte allerdings stark darauf achten wenn man Weihnachten plant nach Deutschland zu fliegen, frühstmöglich unter dem obigen link einen Termin auszuwählen, da man das Land so lange nicht verlassen kann, ohne dass das Visum verfällt bis man das residence permit hat. Eine Verlängerung des residence permit ist schwierig (falls man nach Abschluss der Uni noch reisen möchte). Man darf aber laut unserer intensiven Nachfrage zwei Wochen überziehen, ohne bestraft zu werden (Geldstrafe oder schwarzer Stempel). Wir wurden weder auf unserer zweiwöchigen Inlandsreise noch bei unserer Ausreise mit dem Zug kontrolliert (außer Passkontrolle).

Erreichbarkeit in Istanbul ist sehr einfach gegeben. Einen der großen Anbieter turkcell oder Avea auswählen, ein Paket auswählen (ca.9€im Monat = 250frei SMS, 250 frei min.), eine SIM Karte bekommen und los geht’s. Halt da war noch etwas. Kauft man kein Handy in der Türkei, muss man es registrieren lassen, ansonsten wird es nach ca. zwei Wochen oder auch schon früher abgeschaltet/gesperrt. Dafür geht man zum Finanzamt in Beyoglu (ganz nah der Istiklal Caddesi), Meşrutiyet Cad.No: 289 Şişhane/BEYOĞLU. Nachdem man sich dort im Erdgeschoss zehn Minuten in eine Schlange gestellt hat (einfach mit dem Handy winken, dann wird man richtig geschickt), und 100TL (45€) bezahlt hat ist das Handy mit der Seriennummer registriert. Nach der Ausreise kann man es in Deutschland ganz gewohnt weiter nutzen.



(Aus)Reisetipp

Sollte man nach der Uni, die in Istanbul schon Mitte Januar endet, Luft haben, sollte man unbedingt reisen, wenn man das noch nicht gemacht hat. Oder einfach ein zweite Mal reisen. Der Klassiker Kappadokien ist nicht umsonst ein Klassiker, ansonsten fand ich den Osten der Türkei (z.B. Urfa, Mardin!) besonders spannend. Für die Ausreise würde ich unbedingt den Zug empfehlen. Er wird von der Reisegeschwindigkeit der Zeit, die man weg war, eher gerecht als ein Flieger und kann einen durch schöne Orte wie Sofia, Belgrad, Budapest und Wien führen.

Istanbul ist bunt und beliebt in der EMW. Auch Sabeth berichtete und illustrierte, warum das so ist. Wollt ihr noch mehr wissen? Dann schaut mal hier:

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